Globalisierung – Vorteile einer vernetzten Welt
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Nicht die Globalisierung ist die Ursache von ungerechter Verteilung, sondern der Egoismus derjenigen, die sich in einer global vernetzten Welt die eigenen Vorteile sichern wollen. Doch sie werden scheitern – politisch wie wirtschaftlich.
„Die Zukunft gehört nicht den Globalisten. Die Zukunft gehört den Patrioten.“, sagte die Krebszelle und begann hemmungslos zu wachsen.
Selten hat ein Präsident weltweit so die Gesellschaften polarisiert wie Donald Trump in den vergangenen drei Jahren seiner Amtszeit. Mit seiner wiederholten Proklamation von „America First“ und seinem vorgeblichen Priorisieren der Interessen der USA hat er einem Nationalismus eine Stimme gegeben, der vorher in der Politik mit dieser Kompromisslosigkeit außerhalb von diktatorischen Systemen nur hinter vorgehaltener Hand geäußert wurde. Mit seiner Rede vor den Vereinten Nationen hat er vor wenigen Wochen seine Weltsicht mit dem Statement „Die Zukunft gehört nicht den Globalisten. Die Zukunft gehört den Patrioten.“ auf den Punkt gebracht.
Während dieses Ereignis inzwischen schon fast in Vergessenheit geraten ist, spiegelt die Aussage doch einen globalen Trend wider, der Gefahr läuft, dank seiner oberflächlichen Überzeugungskraft ein Eigenleben zu entwickeln, ohne dass wir kritisch die dahinterstehenden mentalen Modelle hinterfragen.
Es ist dabei zunächst an Zynismus kaum zu überbieten, dass Donald Trump diese Äußerung gerade vor eben jener Organisation gemacht hat, die die Weltgemeinschaft vor knapp 75 Jahren unter dem Eindruck des 2. Weltkrieges gegründet hat, um harmonische, internationalen Beziehungen sicherzustellen und zugleich die Menschenrechte weltweit zu garantieren. Deren Aufgabe es aber auch ist, nationalstaatsübergreifend humanitäre Hilfe und nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Was in Deutschland, aber auch in Europa passiert wäre, wenn es die Politik der USA damals gewesen wäre, sich aus dem Krieg herauszuhalten, um sich ausschließlich auf ihre kurzfristigen, nationalen Themen zu konzentrieren, sollte sich jeder einmal in Europa fragen, der sich aktuell zu spontaner Zustimmung einer Strategie der nationalen Egoismen hinreißen lässt. Und auch heute ist eine von allen Staaten gestützte globale Institution wie die Vereinten Nationen unerlässlich, wenn es darum geht, dem ungehemmten Expansionsdrang einzelner Diktaturen Paroli zu bieten.
Globalisierung und Nationalismus im Zusammenhang
Jedoch überdeckt die häufig moralisch und oft sehr emotional geführte öffentliche Debatte um den in vielen Ländern neu entflammenden Nationalismus die darunter liegende und eigentlich viel wesentlichere Frage: Was ist eigentlich Globalisierung – eine politische Einstellung oder schlichtweg ein unveränderbarer Tatbestand in der menschlichen Entwicklung? Stimmt es überhaupt, dass diese Globalisierung Schuld hat an einer von immer mehr Menschen empfundenen zunehmenden Unfairness in der Verteilung der ökonomischen Vor- und Nachteile? Und ist ein gestärkter Nationalismus tatsächlich eine erfolgversprechende Strategie gegen das immer größere Missverhältnis zwischen denjenigen, die von der Globalisierung profitieren, und denjenigen, die sich durch sie benachteiligt fühlen?
Denn viele, die aktuell in Versuchung geführt werden ihre Fahne in den nationalen Wind zu drehen, machen dies in dem Glauben, dass wenn mehr zur Verfügung steht, auch jeder eigentlich automatisch mehr bekommt.
Diese Fragen sind essentiell, denn sie prägen nicht nur unser politisches, sondern auch unser ökonomisches Verhalten in einer Wirtschaft, die immer heftigere Kollateralschäden in den ökologischen und sozialen Systemen hinterlässt, ohne sich dafür ihrer Verantwortung stellen zu wollen. Während bei der Nachhaltigkeitsdiskussion in der Regel immer noch verhandelt wird, wie angedachte Sanktionen nicht der wirtschaftlichen Entwicklung schaden, fehlt vollkommen der globale Blick auf die Thematik.
Die Diskussion um Nachhaltigkeit in der Textilindustrie ist hierfür nur ein deutliches Beispiel. So wird beispielsweise trotz nachweislicher Krebsgefahr bei der Freisetzung von PFC oder PFC-haltigen Materialien in die Umwelt seit Jahren erst dann ein Wechsel zu biologisch verträglichen Stoffen umgesetzt, wenn keine Einschränkungen für den Verbraucher (und damit für den eigenen Umsatz) zu erwarten sind – anstatt die Frage zu stellen, wie maximale Performance von Funktionstextilien auch ohne den Einsatz von PFC erzielt werden kann.
Wir fragen nicht, wie schnell wir uns verändern können, sondern immer noch, wie lange wir noch so weiter machen können – und glauben, unser Wirtschaftssystem des „Homo Economicus“ berechtigt uns hierzu.
Patriotismus – aber wo verlaufen eigentlich die Grenzen?
Während uns der Begriff des Patriotismus wie selbstverständlich über die Lippen geht, sollten wir uns zunächst einmal fragen, wo eigentlich dann die Grenzen verlaufen. Während der lateinische Begriff in einem zunehmend expandierenden Römischen Reich bereits schwierig nachzuvollziehen war, da er von den neu unterworfenen Nationen ein Wechsel ihres Bekenntnis zu den neuen Herrschern erwartete, so ist es in einer immer multikulturelleren Gesellschaft noch komplizierter, die Grenzen des „Vater“-Landes eindeutig zu ziehen.
Was bedeutet Patriotismus“?
Übersetzt heißt das Wort „Vaterlandsliebe“. Ursprünglich abgeleitet vom griechischen Wort „patriótes“, was so viel bedeutet wie, „jemand, der aus demselben Geschlecht stammt“. Anstelle von Vaterlandsliebe könnte man auch „gefühlsmäßige Bindung an die kulturellen und geschichtlichen Werte und Leistungen des Volkes, in dem man lebt“ sagen.
Auch für Donald Trump ist dies, wie für die meisten Amerikaner, de facto nicht einfach, da sein Großvater aus Deutschland kam und auch das „Vater-Land“ seiner Frau in Europa liegt. Große Teile des Territoriums der USA wurden gerade erst vor ein paar Generationen den First Nations nach Jahrtausende langer Besiedlung abgenommen und teilen sich zugleich in eine Vielzahl unterschiedliche Staaten auf. Dies gilt in ähnlicher Weise für föderale Staaten wie die Bundesrepublik, aber auch für künstlich geschaffene Staatseinheiten wie Libyen oder das ehemalige Jugoslawien – oder die Unabhängigkeitsbewegung in Barcelona – es gibt keine objektive Grenzziehung für Patriotismus.
Daher müssen wir uns zunächst klar machen, dass in dem Begriff des Patriotismus die unmittelbare Gefahr lauert, dass er durch willkürliche Bestimmung der Grenzen recht beliebig für die jeweiligen Einzelinteressen derjenigen missbraucht werden kann, die ihn ins Spiel bringen.
Von der Globalisierung zum Patriotismus – Verstärkung der Ungleichverteilung
Unter solchen Bedingungen ist es offensichtlich, dass der Begriff lediglich einer vom Benutzer frei wählbaren Grenzziehung entsprechen kann, keinesfalls aber eine allgemein gültige Definition verkörpert. In dieser Form degradiert Patriotismus allerdings zu einem verschleiernden Label für den Versuch eines vermeintlich Stärkeren, der sich von einem vermeintlich Schwächeren abzugrenzen versucht, um seine Vorteile primär für seine eigenen Interessen nutzen zu können.
Zwangslogisch führt dies mithin global tendenziell zu einer Vergrößerung der Ungleichverteilung, nicht zu einer Angleichung der Verhältnisse. Lediglich bei denjenigen, die sich innerhalb der Grenzen wähnen, könnte die Hoffnung bestehen, nicht zu den Verlierern zu gehören – doch wer garantiert ihnen, dass in einem solchen Umfeld nicht auch schnell erneut Grenzen gezogen werden, die auch hier die Vorteile denjenigen reservieren, die bereits zu den Stärkeren gehören.
Gerade Amerika ist das beste Beispiel hierfür. Es führt bereits heute mit Abstand das weltweite Ranking des größten gesellschaftlichen Ungleichgewichts im Wohlstand unter allen wirtschaftlich entwickelten Ländern an. Während die drei (!) reichsten Amerikaner inzwischen mehr besitzen als die ärmere Hälfte der Gesellschaft, ist der Wohlstand der 400 wohlhabendsten Einwohner lt. Forbes allein in 2018 um 75% angestiegen. Und die jüngsten Änderungen in der Steuergesetzgebung in den USA werden eher die Schere zwischen den Reichsten und den Ärmeren weiter auseinander gehen lassen – obwohl bereits heute die Top 10% in Amerika neunmal mehr verdienen als die restlichen 90% zusammen. Schleichend verstärkt wird dieser Effekt noch durch die – auch unter dem Deckmantel von „America first“ massiv angewachsenen – Zollstreitigkeiten, die lediglich die Kosten für den amerikanischen Konsumenten steigen lassen und seine Kaufkraft reduzieren. Der Beweis, dass dies gleichzeitig zu mehr Arbeitsplätzen im eigenen Land führt, steht in einer Welt der globalen Lieferketten jedenfalls noch aus.
Spanien – das reichste Fünftel der über 65-Jährigen erhält ca. 4-mal so viel, wie das ärmste Fünftel der über 65-Jährigen.
Insofern ist die Folge des angeblichen Patriotismus‘ eines Donald Trump lediglich eine zunehmende Bereicherung an der Spitze der Wohlstandspyramide, während die meisten seiner anderen Fackelträger weitgehend leer ausgehen.
Daher ist äußerste Skepsis angebracht, wenn vorgegaukelt wird, dass durch die Strategie der Maximierung des Eigeninteresses der eigenen „Nation“ die (angeblichen) zusätzlichen Vorteile auch allen in der eigenen Gruppe zu Gute kommen. In der Regel werden auch innerhalb der jeweiligen Gesellschaft nur die „Stärkeren“ in diesen Genuss kommen – und mental sind beide egozentrierten Grundeinstellungen eng miteinander verwandt.
Gibt es überhaupt noch eindeutig Stärkere?
Die weitere Frage ist, ob eine Strategie der Optimierung des Eigeninteresses in einer global vernetzten Welt überhaupt noch eine Erfolgsstrategie sein kann. Während im alten Griechenland noch der persönliche Vorteil eng mit dem erfolgreichen Funktionieren der „Polis“, d.h. der gesamten Gesellschaft verknüpft war, hat sich der radikale Darwinismus sowohl evolutionär als auch ökonomisch den Ruf als Gewinnerstrategie vor rund 250 Jahren erworben – und er wird seitdem bis heute kaum hinterfragt.
Dabei muss man zunächst der Evolution zu Gute halten, dass sie nur in den seltensten Fällen eine bedingungslose Übervorteilung des jeweils Schwächeren vorlebt. Auch wenn in der Nahrungskette durchaus der Stärkere den Schwächeren in der Einzelaktion übervorteilt, so ist die Natur makroskopisch betrachtet ein System der Gleichgewichte. Kein Teilelement vernichtet durch sein Verhalten die Lebensgrundlage der anderen Elemente – und wenn dies einmal so ist, so sind dies krankhafte und zugleich zerstörerische Auswüchse wie es beispielsweise der Krebs vorlebt: Der bedingungslose Egoismus der Krebszellen führt schlussendlich zur Vernichtung des Wirtskörpers.
Auch ist jeder Teilnehmer des Ökosystems niemals eindeutig Gewinner oder Verlierer, sondern immer zugleich Nutznießer wie auch Lieferant von anderen Systembeteiligten. Selbst an der Spitze der Nahrungskette wird das Raubtier nicht nur während seiner Beutezüge, sondern auch am Ende seines Lebens zum Nahrungslieferant für scheinbar schwächere Kleinstlebewesen. Die evolutionäre Supply Chain ist – anders als unser bisheriges Wirtschaftssystem – kein linearer Prozess, sondern ein vernetztes System geschlossener Kreisläufe.
Wenn zu Zeiten von Adam Smith das Eigeninteresse ein durchaus erfolgreicher Antrieb für die wirtschaftliche Entwicklung repräsentierte, so lag dies im Wesentlichen daran, dass sich die meisten Handelsbeziehungen in einem ökonomischen Mikrokosmos abgespielt haben. Konsequenzen hatte dies selten auf entfernte Akteure – und erzeugte auch in Summe kaum Kollateralschäden auf die umgebenden Öko- und Sozialsysteme.
Demgegenüber sind heute nicht nur Kommunikation, Energie, Logistik und Lieferketten global untrennbar miteinander verkettet, sondern es gibt auch keine Wirtschaftsbeziehung mehr, die nicht in irgendeiner Weise durch gegenseitige Abhängigkeiten bestimmt ist. Zugleich überschreiten die Auswirkungen unserer wirtschaftlichen Handlungen längst in Summe die Rehabilitationskräfte der ökologischen und sozialen Systeme – mit mittelfristigen Konsequenzen, die an keinen Landesgrenzen halt machen.
In einer solchen Welt den Glauben zu haben, man sei der Stärkere und könne diese Macht zum eigenen Vorteil ausspielen, zeugt von enormer Kurzsichtigkeit. Was in einer reinen bilateralen Beziehung, in der man sich kein zweites Mal begegnet, vielleicht noch erfolgversprechend erscheinen könnte, ist in einer globalen Welt ein mentales Modell aus der Vergangenheit. Denn die Wahrscheinlichkeit ist extrem hoch, dass jede feindliche Handlung über Umwege immer wieder von einer anderen Seite zurückkommt – egal ob es Zollschranken, Mauerbau oder Manipulationsversuche durch Soziale Medien sind.
Warum in einer Globalen Welt nur globale Partnerschaften erfolgreich sein können
Analog ist auch eine Grundhaltung des „me first“, wie es die radikale Wirtschaftstheorie bisher als Gewinnerstrategie lehrt, in einer global miteinander verwobenen Welt kein Erfolgsrezept mehr.
https://de.statista.com/infografik/13280/anzahl-der-weltweit-bestehenden-handelsabkommen/
Stand 2018 existierten rund 285 formalisierte Handelsverträge zwischen zwei oder mehr Staaten
Zunächst ist sie – wie jeder Patriotismus – einer hohen Willkür der jeweiligen Entscheider ausgesetzt, da Grenzen sowohl bei Industrien, aber auch bei Supply Chains, Nationalen Märkten oder auch einzelnen Konzernen nie objektiv festgelegt werden können. Gleichzeitig sind in den seltensten Fällen die Verteilungsregeln für temporären Gewinner so strukturiert, dass sie danach alle Beteiligten an den Erfolgen teilhaben lassen. Dass Jeff Bezos zu den drei vermögendsten Amerikanern gehört, während seine Mitarbeiter bei Amazon in der Regel mit dem jeweiligen Mindestlohn auskommen müssen und der Milliardenkonzern in den USA keine staatlichen Steuern zahlt, zeigt dies beispielhaft.
Viel schwerer wiegt allerdings, dass sein Geschäftsmodell wie die meisten weiterhin auf der Voraussetzung aufbaut, dass sowohl seine ökologischen Nebenwirkungen wie z.B. die notwendige Logistik von der Gesellschaft getragen werden – ebenso wie die Abfallbeseitigung der vielen Rücksendungen, für die sich ein Rückversand an den Hersteller nicht lohnt. Was wie eine Gewinnerstrategie erscheint, ist auf dem Rücken einer Supply Chain und einer Logistik aufgebaut, deren Konsequenzen kommende Generationen ausbaden müssen.
In diesem Geiste haben wir das – für weitere Partner offene – wear2wear-Konsortium mit dem Ziel mitbegründet, den geschlossenen Textilkreislauf zu realisieren. Jeder Partner profitiert von der Zusammenarbeit und ist gleichzeitig Diener anderer Partner – und niemand versucht, seine Position ausschließlich zu seinem eigenen Vorteil zu optimieren.
Wenn diejenigen, die sich auf diese Weise aufrecht bemühen, ihrer globalen Verantwortung nachzukommen, als „Globalisten“ bezeichnet werden, so sind wir bekennende Globalisten. Denn wir sind der Überzeugung, dass die Herausforderungen der Zukunft nur in Partnerschaften gelöst werden können, die Verantwortung übernehmen und sich bemühen, dem gesamten System ausgewogen zu dienen, von dem sie profitieren.
In diesem Sinne werden wir die Zukunft nicht den Patrioten überlassen. Wie der Patriotismus ist auch der bisher gelehrte, konsequent optimierende Kapitalismus nur ein Deckmantel für einen rücksichtslosen Egoismus, der immer weniger Menschen Vorteile bringt – und für den immer mehr Andere den Preis zahlen müssen. Daher muss per Definition der mentale Zwilling der Globalisierung ein Verantwortungsgefühl sein – Verantwortung unter anderem dafür, keine Spuren zu hinterlassen, die andere beseitigen müssen, selbst wenn wir immer neue Orte in der Welt finden, in denen dies noch rechtlich zulässig ist. Hierfür müssen wir beispielsweise unsere Supply Chain als Netzwerk von Partnern begreifen, nicht als beliebig auszubeutende Glieder in einer Nahrungskette, um ähnlich wie die Natur unsere Wertschöpfungsprozesse bestmöglich miteinander zu einem geschlossenen System zu verknüpfen.