„Wir betrachten den gesamten Produktlebenszyklus“

Interview mit Oliver Korden, Head of Footwear bei VAUDE, über Nachhaltigkeit bei Outdoor-Produkten

Bild: VAUDE
„Bewusster Konsum setzt voraus, dass ich mich vor dem Kauf informiere“, so Oliver Korden, Head of Footwear bei VAUDE

Das Tettnanger Familienunternehmen VAUDE ist seit fast 50 Jahren im Outdoor und Bergsport-Business und setzt immer wieder neue Standards für nachhaltiges Wirtschaften, umweltfreundliche Produktinnovationen und faire Produktionsbedingungen. Wie gelingt es unserem langjährigen Kunden nachhaltige und faire Schuhe zu entwickeln und wodurch unterscheidet sich ein VAUDE-Produkt von anderen? Diese und viele weitere Fragen haben wir Oliver Korden, Head of Footwear bei VAUDE, gestellt.

Oliver, wodurch genau zeichnet sich ein nachhaltiges VAUDE-Produkt aus?

Oliver Korden: „Wir haben vor mehr als 10 Jahren unser Green Shape Konzept entworfen, und dazu strenge Kriterien aufgesetzt, was ein nachhaltiges Produkt für uns ausmacht. Das betrifft nicht nur die Materialien und die Herstellung. Wir betrachten dabei vielmehr den gesamten Produktlebens-Zyklus, vom Design über Herstellung, Pflege und Reparierbarkeit, bis hin zur (Wieder-) Verwertung. Das Ziel ist natürlich immer ein geschlossener Stoffkreislauf. Mittlerweile sind wir bei einem Green Shape-Anteil von über 80 %, bei der Bekleidung sogar fast 100 %. Diese Kriterien werden laufend überprüft und angepasst. So arbeiten wir derzeit schon an Green Shape 3.0.“

Worauf sollte ich als Kunde beim Kauf von Outdoorprodukten grundsätzlich achten?

Bewusster Konsum setzt voraus, dass ich mich vor dem Kauf informiere. Im Fachhandel kann man den Händler gezielt nach grünen Produkten fragen. Auch Siegel und Labels bieten dabei eine gewisse Orientierung, jedoch sollte man auch hier kritisch prüfen. Eine gute Plattform ist zum Beispiel Siegelklarheit. Auch das Textilsiegel Grüner Knopf der Bunderegierung ist ein guter, sehr strenger Maßstab. Allerdings gilt der Grüne Knopf bislang nur für Bekleidung, nicht im Schuhbereich.

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Vorreiter VAUDE: Auch bei der Herstellung von Schuhen setzt der Bergsportanbieter VAUDE massiv auf Nachhaltigkeit

Wie wird die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards bei VAUDE kontrolliert?

Wir legen bei allen unseren Maßnahmen immer großen Wert auf die Verifizierung und Zertifizierung durch externe Dritte. Im sozialen Bereich ist das z.B. die Fair Wear Foundation, die weltweit die Einhaltung sozial fairer Arbeitsbedingungen überwacht. Bei Materialien sind etablierte Standards wie bluesign, GOTS oder der Global Recycling Standard die Grundlage. Im Bereich Klimaneutralität ist seit vielen Jahren myclimate unser Partner, und wir richten unsere langfristige Klimastrategie an den Science Based Targets aus. Bis 2024 wollen wir damit ein komplett Klimaneutrales Unternehmen sein.

Wodurch unterscheidet sich VAUDE von anderen Schuhherstellern im Outdoormarkt?

Unserem Ziel nachhaltigster Outdoorschuhhersteller mit Performance Produkten zu sein, kommen wir immer näher. Der Schuhmarkt ist bei Outdoor gut besetzt und wir sind hier einen Schritt weiter gegangen um Nachhaltigkeit und Performance zusammen zu bringen. Wir haben 2016 angefangen nachhaltige Materialpartner zu suchen, die ähnlich denken und handeln wie wir. Seit 2018 konnten wir erste Erfolge in biobasierten Materialien erzielen und haben unsere recycelten Anteile Schritt für Schritt erhöhen können, was dann im Winter 2020 dazu führt, dass unsere Outdoorschuhe zu 100% Green Shape in unserem Hause bewertet werden.

Was sind die größten Herausforderungen, Vorteile oder Nachteile bei einer nachhaltigen Schuhproduktion?

Es gibt – wie in allen neuen zu besetzenden Feldern – einige Herausforderungen. Als Pionier betreten wir oft Neuland, auch gedanklich, und müssen viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit bei den Lieferanten leisten. In den letzten drei Jahren hat sich sowohl die Einstellung der Materiallieferanten, als auch die der Hersteller jedoch stark gewandelt. Nachdem größere Player hier nun auch mehr und mehr aufs Gas drücken, ist die Bereitschaft gewachsen, ökologisch zu entwickeln, bzw. auch die Möglichkeit, in kleineren Stückzahlen zu produzieren. Wenn wir wirklich den großen nachhaltigen Schritt machen wollen, müssen in der Zukunft entweder alle bei VAUDE einkaufen (lacht) oder aber durch gesetzliche Vorschriften noch stärker in die Lieferkette eingreifen. Der ökologische Vorteil ist unbestritten, und wirkt motivierend für uns und unsere Kunden. Zu wissen, dass man einen kleinen Teil dazu beiträgt, dass die Leute, die in der Natur mit unseren Schuhen unterwegs einen kleineren ökologischen Fußabdruck hinterlassen, als andere. Nachteile sehe ich tatsächlich keine mehr.

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Bei der neuen urbanen Linie von VAUDE für Sommer 2021 können zusätzlich zur nachhaltigen Herstellung alle Materialien wiederverwertet werden.

Welchen Einfluss hat eine nachhaltige Produktion auf den Preis?

Ökologisch sinnvolle Lösungen kosten in den meisten Fällen mehr Geld. Das hat zum einen mit der Verfügbarkeit und zum anderem mit den Material- und Innovationskosten zu tun. Trotz allem schaffen wir es Preise aufzurufen, die maximal 20% über den Preisen von vergleichbaren Mitbewerbern liegen, teilweise liegen wir aber auch darunter. Zudem können wir durch eine solide Mischkalkulation Mehrkosten einer nachhaltigen Schuhproduktion durch andere Produkt-Bereiche wieder abfedern, wo wir ggf. auf Margen verzichten.

Welche News bzw. neuen Modelle hat VAUDE aktuell und in naher Zukunft in der Pipeline?

Wir haben aktuell einen neuen Wanderschuh auf dem Markt, der ein sehr komfortables, natürliches und ökologisches Materialpaket aufweist. Mit in Deutschland gegerbtem Leder und unserer exklusiven 100% recycelten Sympatex Membran, inklusive des klimaneutralen Linings sind wir stolz auch hier ein super Preis-Leistungsverhältnis aufrufen zu können. Im nächsten Sommer werden wir eine neue urbane Linie aus Portugal auf den Markt bringen, welche bei einigen Materialien noch mal einen Schritt weitergeht und zusätzlich alle Materialien wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden können. Selbst die Sohle ist abtrennbar und wieder recyclingfähig.

Auch im Radbereich hat VAUDE einige interessante Entwicklungen. Welche Vorteile bietet der neue wasserdichte Fahrradschuh gegenüber herkömmlichen Modellen?

Bei dem neuen Bike-Schuh Minaki II STX komme ich nun ins Schwärmen. Hier war die Aufgabe für einen neuen Winter-Radschuh wärmer, wasserdichter und ökologischer zu werden.

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Der neue VAUDE Winter-Bike-Schuh Minaki II STX mit 100% recycelter Sympatex Membran


Wodurch wird die Wasserdichtheit und Atmungsaktivität der neuen, wasserdichten Fahrradschuh-Modelle gewährleistet? Und welche weiteren nachhaltigen Materialien sind in den neuen Modellen verarbeitet?

Als erstes haben wir dazu in der eigenen Kältekammer Untersuchungen gemacht, welche Regionen den Füßen bei aktuellen Modellen am meisten Probleme bereiten. Die zwei Haupt-Angriffsflächen für Wasser und Kälte waren der frontale Bereich über den Schnürsenkeln, als auch der Cleat-Bereich, wo Kälte und teils auch Feuchtigkeit signifikant stärker eintreten konnten. Den Cleat-Bereich haben wir von innen versiegelt, so dass diese Kältebrücke schon mal weg war. Der BOA-Verschluss am Schaft wird mit einer Neopren-Klett abgedeckt. Zur Isolation verwenden wir das zu 90% recycelte Eco-Gold Isolation Material der Firma Primaloft. In Kombination mit der nachhaltigen, 100% recycelten Sympatex Membran und dem 100% recycelten Fleece Lining ist das ein „Wohlfühlpaket“ für Winterradler. Diese Qualität wurde auch vom Handel sehr positiv im Sell-In für den Winter 2020 bewertet.

Oliver Korden ist seit fünf Jahren Schuh-Chef bei VAUDE. Er kommt aus dem Footwear-Bereich und war zuvor beim Laufschuh-Unternehmen ASICS und Scott Sports tätig. Bevor er zu VAUDE wechselte, arbeitete der 47-Jährige Familienvater als Product Line Manager Footwear bei Intersport.

Lieber Oliver, vielen Dank für das Interview!

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