Produzieren, Konsumieren, Wegschmeißen und keiner zahlt. Die Lösung: Kreislaufwirtschaft!

Solange Unternehmen den Preis für ihre Schäden an der Umwelt nicht selbst zahlen müssen, verhindern wir die notwendigen Innovationen für eine Kreislaufwirtschaft.

Bild: bleed, Dmitry Rukhlenko/stock.adobe.com, Bildbearbeitung: SympaTex
Angesichts des zunehmend fortschreitenden Klimawandels ist die Kreislaufwirtschaft nicht nur dringend notwendig, sondern heute schon möglich.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen beim Zahnarzt und er hat Ihnen gerade eine alte Gold-Krone entfernt und diese in den Abfalleimer geworfen. Dann unterbreitet er Ihnen ein Angebot für eine neue Gold-Krone und darin findet sich unter anderem eine Position von 10g neuem Gold. Vermutlich würden Sie ihn erbost fragen, warum er erst das alte Gold wegwirft, um ihnen dann die Kosten für neues Gold in Rechnung zu stellen.
Auch in der Textilwirtschaft ist dies die gängige Praxis, was leider große Folgen für die Umwelt mit sich bringt. Eine Lösung – die Kreislaufwirtschaft.

Die Notwendigkeit einer Kreislaufwirtschaft – die aktuelle Praxis ist nicht länger tragbar

Unabhängig davon, ob ihre Zähne noch in Ordnung sind oder ihre Versicherung eine Zahnkrone aus Gold ablehnt, diese Situation erleben wir alle jeden Tag. Anstelle einer Kreislaufwirtschaft haben wir eine Form der Wirtschaft gepflegt, die auf einem ganz einfachen Modell aufbaut: „Ressourcen abbauen“ – „Produkte herstellen“ – „Verkaufen“. Und die Geschichte setzt sich bei Ihnen in der Regel nur noch mit den Schritten „Nutzen“ und „Wegschmeißen“ fort.

Und weil wir gleichzeitig der Überzeugung sind, für steigenden Wohlstand ökonomisch immer weiter wachsen zu müssen, gibt es für dieses Modell nur eine Option. Wir werden dazu motiviert, Produkte immer schneller wegzuschmeißen und den Konsum zu erhöhen.

Dass inzwischen immer häufiger Bilder um die Welt gehen, in denen unkontrollierte Müllhalden brennen oder der Abfall direkt ins Meer geleitet wird, die sich dank der globalen Strömungen in mehreren riesigen künstlichen Inseln sammeln, sollte uns daher nicht erstaunen. Es wird alles mit zunehmender Menge nur etwas sichtbarer. Auch weil wir die Container, die wir nach China zurückgeschickt haben, nicht mehr als elegante Verstecke für unseren angeblichen Beitrag zum Recycling nutzen können.  China hat zum Ende 2017 seine Grenzen für unseren unsortierten Plastik- und Textilmüll geschlossen.

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Abfälle wandern mit globalen Strömungen über das Meer, bilden künstliche Inseln oder werden andernorts angeschwemmt.

Die Entsorgung von Abfall – Die Ursache liegt im System

Es ist also Unsinn, wenn wir für achtlos oder bewusst wild entsorgten Abfall fieberhaft nach einzelnen Verantwortlichen suchen, deren mangelnde Moralauffassung ein solches Handeln verursacht hat. Oder wenn wir versuchen, unsere Umwelt zu retten, indem wir die Meere schnell wieder sauber machen. Das sind alles sind lediglich die Symptome. In Wirklichkeit haben wir ein Systemproblem, das die gerade mühevoll gereinigten Strände gleich wieder verschmutzen wird, sobald wir ihnen den Rücken zudrehen.

Denn unsere betriebswirtschaftlichen Konzepte gehen zunächst grundsätzlich davon aus, dass Rohstoffe und Ressourcen in unbegrenztem Umfang zur Verfügung stehen. Auch wenn wir längst wissen, dass dies nicht der Fall ist und wir uns inzwischen sogar Gedanken machen müssen, woher wir ausreichende Mengen an Sand für unseren rapide zunehmenden Rohstoffhunger herbekommen. Dennoch haben wir bisher keine Finanzinstrumente entwickelt, die ein solches Risiko korrekt in den Unternehmensbilanzen abbilden könnten. Dies gilt ebenso für Prozessstoffe wie beispielsweise Wasser. Zwar verstärkt der enorme Wasserverbrauch und die häufig mangelnde Wasseraufbereitung industrieller Abwässer gerade in Ländern, in denen bereits klimatisch wenig Wasser zur Verfügung steht, die Versorgungsprobleme mit diesem lebenswichtigen Gut und führt zu steigenden sozialen Herausforderungen. Wirtschaftlich relevant werden diese allerdings erst, wenn die Produktion tatsächlich zum Stehen kommt.

Insofern können wir uns zwar abstrakt Gedanken über mögliche Engpassszenarien für fossile Rohstoffe, Wasser oder Seltene Erden machen und diese in Form von Risikoanalysen diskutieren. In die Budgetplanung fließen sie allerdings nicht ein, denn der Erhalt der Natur findet in althergebrachten betriebswirtschaftlichen Modellen grundsätzlich keinen Platz.

Daher machen wir das, was wir immer gemacht haben: wir verschließen die Augen und hoffen einfach, dass sich das Problem von alleine löst – oder wir wieder früh genug neue Technologien finden, die uns ersparen weitere Energie in die Lösung des Problems zu stecken.

Am Ende des ökonomischen Prozesses ist die Situation noch eindeutiger: Und so mag Eigentum verpflichten – auch zu einer gesetzeskonformen Entsorgung – allerdings nur denjenigen, dem es gehört – und das ist ab dem Moment des Kaufes der Konsument. Ob es überhaupt in ausreichendem Maße Möglichkeiten gibt, um die häufig in der Produktion fest miteinander verbundene Mischung immer exotischerer Rohstoffe nachhaltig zu entsorgen bzw. zu recyceln, muss dabei niemanden interessieren – auch nicht das Unternehmen, das für das Design des Produkts und den Herstellungsprozess verantwortlich ist.

Aktuelles lineares Wirtschaftsmodell

Zwar können wir durchaus in vielen Fällen die Hersteller der achtlos weggeworfenen Zigarette oder der im Meer treibenden Kunststoffverpackung identifizieren – dies übernehmen inzwischen sogar immer häufiger intelligente „Beschämungs“-Apps. Solange niemand konkret und nachweisbar gefährdet wird, haben wir einen rechtlichen Zugriff dadurch noch lange nicht. Im Gegenteil ist es tatsächlich sogar formal gesehen die juristische Pflicht, insbesondere von börsennotierten Unternehmen, das Thema zu ignorieren, sobald die Lösung Geld kostet. Denn sie sind gesetzlich zur Gewinnmaximierung im Rahmen des rechtlich erlaubten verpflichtet. Themen wie Moral und Ethik bleiben außen vor, egal ob es den CEO nicht interessiert oder ihn tatsächlich schmerzt.

Müssen wir also weiter tatenlos zuschauen, wie wir unsere Umwelt systematisch mit immer schneller anwachsenden Strömen an Abfällen bedecken, während ein paar von uns noch verzweifelt versuchen, die Symptome mit bloßen Händen zu bekämpfen? Gibt es keine Wege zu verhindern, dass sich die Rauchschwaden von inzwischen 40% des Abfalls, der weltweit unkontrolliert im offenen Feuer verbrannt wird und sich bei einigen von uns so bewunderten Marken dank der Chemikalien in den Produkten in hoch toxische Gase verwandelt, mit unserer Atemluft vermischt?

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Durch mehr Transparenz zur Kreislaufwirtschaft

Doch, wir könnten diesen Prozess aufhalten – allerdings nur dann, wenn wir das System so verändern, dass in den Vorstandsvorlagen konkrete Fakten auftauchen, die ein alternatives Vorgehen betriebswirtschaftlich nahelegen bzw. erzwingen. Und hier besteht enormer Nachholbedarf.

Zunächst wäre es essentiell, dass die Verknappung von Ressourcen in den Geschäftsberichten abgebildet wird. Hier wären die Wirtschaftsprüfer längst in der Pflicht. Während sie ihre Energie hauptsächlich dafür nutzen, die ausgewiesenen Lagerbestände in den Bilanzen im Detail darauf prüfen, ob diese tatsächlich noch „werthaltig“ sind oder finanziell entwertet werden müssen, winken sie aktuell sämtliche Risiken der Beschaffung ungeprüft durch. Dabei hätten wir längst ausreichend Daten verfügbar, um die jeweilige Verfügbarkeit der wichtigsten Ressourcen, die ein Unternehmen für sein Geschäftsmodell benötigt, den globalen Verbrauchsdaten gegenüberzustellen. Hieraus ergäben sich globale Risikofaktoren für die sogenannte positive Fortführungsprognose – den Nachweis durch die Geschäftsführung, dass das Geschäftsmodell auch in der Zukunft finanziell dauerhaft tragfähig ist.

Eine solche Einschränkung des Testats durch den Wirtschaftsprüfer würde unmittelbar den Zwang auf Unternehmen auslösen, nachhaltige Alternativen zu entwickeln – entweder indem sie den Verbrauch von Ressourcen senken oder aber die eigenen oder auch fremde Ströme an Abfall als Rohstoffquellen erschließen. Wichtig ist hierbei allerdings, dass sich die Risikofaktoren nicht nur auf die physische Verfügbarkeit beschränken, sondern auch auf die ökologisch vertretbare. Ansonsten werden wir schnell auf den Gedanken kommen, weitere Kollateralschäden zu erzeugen, nur um an neue Quellen heranzukommen – so wie wir das bereits beim Fracking in den USA oder der Ausbeutung der Teer-Sande in Canada tun, um unsere Erdölreserven weiter aufzublasen. Gerade bei den fossilen Rohstoffen dürfte der globale Verfügbarkeitsfaktor aktuell auf maximal 15% der bekannten Rohstoffquellen beschränkt werden – denn dies entspricht der Menge an CO2, die wir bis 2050 maximal freisetzen dürfen, um die 2° Grenze der Erderwärmung einzuhalten und den Klimawandel noch zu bremsen, bevor er durch Dominoeffekte ein Eigenleben entwickelt.

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Ca. 40% des Mülls werden weltweit unkontrolliert im offenen Feuer verbrannt

Als zweite Maßnahme müsste die unternehmerische Verantwortung für den erzeugten Abfall konsequent umgesetzt werden, wie dies die EU bereits in 2008 in ihrer Richtlinie 2008/98/EG festgelegt hat. Hierin hat die EU ein Paket gesetzlicher Regelungen und Änderung beschlossen, mit denen die Verwertung des Abfalls bestmöglich gefördert werden soll. Artikel 8 in dieser Richtlinie regelt eindeutig, dass jeder Mitgliedsstaat Gesetze erlassen darf, um „sicherzustellen, dass jede natürliche oder juristische Person, die gewerbsmäßig Erzeugnisse entwickelt, herstellt, verarbeitet, behandelt, verkauft oder einführt (Hersteller des Erzeugnisses), eine erweiterte Herstellerverantwortung trägt“. Doch während dies jedem Land die Möglichkeit einräumt, gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, um „die Rücknahme zurückgegebener Erzeugnisse und von Abfällen, die nach der Verwendung dieser Erzeugnisse übrig bleiben, sowie die anschließende Bewirtschaftung der Abfälle und die finanzielle Verantwortung für diese Tätigkeiten“ einzufordern, ist seitdem in über 10 Jahren keine weitere Entwicklung zu sehen.

Während Politiker in Deutschland gerade über Presse und Medien versuchen, durch Aktionismus bei einem Produkt wie der Plastiktüte von ihren massiven Versäumnissen abzulenken, werden die eigentlichen Probleme der Abfallvermeidung weiterhin nicht angetastet – dabei machen Plastiktüten weit weniger als 1% des globalen Plastikmülls aus. Nicht einmal Regelungen, die die bisherige Fehlentwicklung sogar aktiv fördern – wie zum Beispiel die Steuerbefreiung des Flugbenzins – werden geändert.

Statt Energie in eine nachhaltige Lösung zu stecken, wird erneut mit „Totschlagsargumenten“ um sich geworfen. So wird mal der Zusammenbruch der Wirtschaft, mal die Verteuerung der wohlverdienten Mallorca-Reise herangezogen, um das fehlende Handeln politisch zu entschuldigen. Dabei muss uns doch längst klar sein, dass die Problemberge lediglich größer werden, je länger wir warten – verschwinden werden sie nicht. Und mit ihrer Größe steigen auch die Kosten exponentiell – wie wir schon in der letzten Wirtschaftskrise bei der Implosion der faulen Kreditpakete erlebt haben.

Vom Kreislaufwirtschaftsgesetz zur Kreislaufwirtschaft

Warten ist also keine Lösung – ganz im Gegenteil. Wenn wir jetzt in einer kontrollierten, aber zeitlich adäquaten Vorgehensweise den Umbau unserer Wirtschaft beschließen würden, hätten wir Zeit genug, die notwendigen Technologien zu entwickeln, die diese Lösungen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft auch ökonomisch tragfähig machen. Wenn wir allerdings nicht anfangen, wird der notwendige Innovationsdruck weiter ausbleiben und wir merken den Schmerz erst dann, wenn wir gegen die ersten Wände prallen.

Dabei ist die Lösung für das Recycling von Abfall längst greifbar. So wie die Papier- und die Aluminiumindustrie schon vor Jahrzehnten den Anfang gemacht haben, existieren längst auch technologisch durchdachte Technologien beispielsweise für das Kunststoffrecycling. Was fehlt ist lediglich die notwendige Planungssicherheit für Investoren, um die für ihren flächendeckenden Ausbau notwendigen Finanzmittel zu einer höchst attraktiven Investitionsmöglichkeit zu machen. Denn Abfall zu Gold zu machen war schon im Mittelalter eines der höchsten Ziele der Alchemisten und Könige – jetzt könnte es endlich realisiert werden.

Allein die Textilindustrie bringt mit ihren synthetischen Materialien, die 2/3 der Industrie ausmachen, ca. 47 Millionen Tonnen Plastik in Umlauf, mit stark steigender Tendenz – über 10% der weltweiten Plastikproduktion. 80% hiervon ist Polyester, ein Material, das längst technologisch wieder zurück in Rohmaterial verwandelt werden kann. In vielen Ländern sind sogar die entsprechenden Sammelsysteme flächendeckend vorhanden. Jetzt noch eine Sortieranlage mit adäquaten Sensoren auszustatten, die dank Künstlicher Intelligenz schnell lernen könnten, den Abfall sortenrein zu trennen, sollte dann wirklich kein Hexenwerk sein.

Angesichts der unglaublichen Mengen textilen Abfalls, die jedes Jahr durch unsere Industrie erzeugt werden, haben wir daher bei Sympatex in diesem Jahr entschieden, unabhängig von externen Randbedingungen in den kommenden 10 Jahren die Kreislaufwirtschaft umzusetzen und bis spätestens 2030 nur noch Produkte aus 100% zirkulär gewonnenen Rohstoffen anzubieten.

Sympatex schließt den Textilkreislauf

Dies ist nur ein kleiner Tropfen auf einen sehr heißen Müllberg. Aber wir wollen beweisen, dass die vorgeblich wirtschaftlichen Gründe gar nicht existieren, die bisher als bequeme Ausrede einen konsequenten Umbau hin zu einer Kreislaufwirtschaft verhindert haben.

Was wirklich helfen würde ist, dass der Gesetzgeber seiner Pflicht nachkommt, sich mit solchen Themen ernsthaft auseinanderzusetzen und einen Zeitplan aufstellt, bis wann die beiden Enden des bisherigen Wirtschaftsmodells zusammengeführt werden müssen. Dies schafft Chancengleichheit für alle und ausreichend Veränderungsdruck, um die notwendigen Investitionen in die Abfallwirtschaft hervorzubringen.

10 Jahre sollten für die Umsetzung einer solchen Transformation zur Kreislaufwirtschaft ausreichen – und viel mehr Zeit haben wir auch nicht, wenn wir nicht unsere Gewässer und Landschaften für Jahrhunderte zumüllen wollen.

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